EINE AUSSTELLUNG ZUM 150. GEBURTSTAG DER MALENDEN DICHTERIN ELSE LASKER-SCHÜLER. BILDER VON LARISSA SCHEERMANN. 14. FEBRUAR BIS 28. MÄRZ (VERLÄNGERT).

Donnerstag, 14. Februar 2019, Stadtbibliothek Wuppertal, Zentralbibliothek in der Kolpingstraße 8, Wuppertal Elberfeld.

Ein Spätnachmittag, wie gemalt: Über das Kopfsteinpflaster des Laurentiusplatzes wird nun endlich wieder flaniert, gehüpft, gerannt, gestolpert. An diesem Tag, den hier alle als ‚den ersten schönen Tag‘, ein wahres ‚Frühlingserwachen‘ erinnern werden, lädt der Platz erstmals wieder zum Verweilen ein. Man nimmt ein erstes Eis in diesem Jahr, sämtliche Bänke sind besetzt und man starrt vor sich hin; mit einem Mal sind alle herausgekommen, am Wochenende sprießen die Krokusse, ehe man sich versieht, hat die Stadt ihre Farben wiedergefunden.

In der Kolpingstraße fallen Sonnenstrahlen auf das historische Portal der Stadtbibliothek, neben dem die modernisierte glatte Front anschließt, aber noch nicht aufgeschlossen hat – dieser letzte Kitt wird nun angebracht: Renovierung, letzter Akt. So ist die Bibliothek zwar – wegen des Umbaus – überraschend geschlossen, aber dennoch steht die Holztür auf, über dem Plakat, das auf die Schließung wegen Umbauarbeiten hinweist, klebt die Veranstaltungsankündigung der Vernissage, eine Ausnahme. Nach der Eröffnung wird bis zum 25. Februar wieder geschlossen. Danach sind die auf drei Ebenen und in den Treppenaufgängen angebrachten Werke von Larissa Scheermann wieder zu den gewohnten Öffnungszeiten der Zentralbibliothek zu sehen, verlängert bis zum 28. März.

Vor Veranstaltungsbeginn um 17:00 Uhr wird deutlich, dass vom plötzlichen Umbau alle überrascht wurden: Das Licht bleibt aus. Zwar scheint durch die hohen Flurfenster noch großzügig die Nachmittagssonne, doch die angebrachten Strahler vor den Grafiken, Bildern und an den Vitrinen dicht gefüllt mit den Beständen des eigenen Else Lasker-Schüler Archivs versagen den Dienst. Erst kurz bevor der Sekt geöffnet, die Gläser befüllt werden, lässt sich die Lösung finden. Während im Parterre noch die Handwerker rumoren, nutzen die Gäste treppauf die Gelegenheit mit der Künstlerin ins Gespräch zu kommen.

Die Thematik der Flucht, der Vertreibung und der Emigration spielen seit Jahren eine zentrale Rolle in meiner Arbeit: auf der einen Seite die Geschichte der Völkerwanderungen, die immerwährende Suche nach dem ‚gelobten Land‘ und ganz besonders der gegenwärtige Exodus – auf der anderen Seite die Geschichte meiner Familie und meine Suche nach den eigenen Wurzeln.

Larissa Scheermann, eine Meisterschülerin des russisch-jüdischen Künstlers Nikolai Estis, vermischt gekonnt ihre klassische Ausbildung mit Ausdrucksmustern der Moskauer Avantgarde. Als ihre größte Inspirationsquelle beschreibt sie die Werke deutscher Exil-Dichterinnen:

Rose Ausländer, Hilde Domin und Else Lasker-Schüler, deren Poesie mich ganz tief durch ihre Tragik und dramatische Spannung berührte. Und doch entdeckte ich erstaunt, dass diese Frauen nicht gebrochen wurden – auch in dem schlimmsten Unheil hatten sie den Mut zu lieben, Hoffnung zu haben, Hoffnung weiter zu geben. So sind mehrere Collagen zu den Texten sowie Frauenportraits entstanden.

Ihre Farben die Malerin selbst her, wie es auch in der russischen Ikonenmalerei üblich war. Sie sagt, dass sich je nach Stimmungszustand ändert die Konsistenz der Farben verändere und sie sie mal sie dickflüssig und pastös wie Ölfarben auf den Grund brächte, und sie mal bloß zart schimmernd und dünn wie Aquarellfarben eine Ahnung vermittelten. Das grafische Werk Scheermanns umfasst Kohle- und Tuschezeichnungen sowie Monotypien, als Bildgrund dienen ihr ganz unterschiedliche Materialien. Sie spricht davon, Papier nicht einfach wegwerfen zu können, da es in der Sowjetunion ihres Heranwachsens Mangelware war.

Sie spricht von diesen Entbehrungen und von den Geschichten, die sie in den Schicksalen ihrer Bekannten erlebt hat – Frauengeschichten, die von Vertreibung und Hunger, Krieg und Verlust geliebter Menschen, von Angst und Gewalt handeln. Die Kunst ist für Scheermann das Medium, diese Geschichten zu erzählen. Ihre Werke tragen keine Titel, sondern machen ein Angebot, in ihnen die ‚Töchter der Lilith‘ zu erkennen, „Frauen – keine Erbinnen der braven anpassenden geliebten Eva, sondern der rebellischen verstoßenen vertriebenen Lilith“, wie Scheermann sagt.

Dem Angebot sind einige gefolgt, die Vernissage ist gut besucht, als nun Hajo Jahn und Cordula Nötzelmann einführende Begrüßungsworte sprechen. Den Besucher*innen begegnen die Töchter der Lilith und des Prinzen von Theben in unterschiedlichen Stimmungen und Formaten, in bunten Collagen und eindrucksvollen Monotypien, im großen Format und in kleinen Zeichnungen.

Ab 25. Februar 2019 sind sie alle wieder gut beleuchtet und für Besucher*innen zu sehen.

bf.
Text und Bilder: Birte Fritsch für das Kulturbüro der Stadt Wuppertal | Creative Commons

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